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Viele Gruesse

İstanbul

Wir stehen auf und werden nach kurzer Zeit von einem Dutzend türkischer Jungs belagert, mit denen wir uns eine Quallenschlacht liefern und die zeigen, wie man einfach türkisch tanzen kann.

Als wir mit dem ÖPNV nach Istanbul-Harem (der Busbahnhof auf der asiatischen Seite) reinfahren, denken wir alle 5 Minuten, dass wir doch jetzt mal da sein müssten. Riesige Wolkenkratzer, Hauptstraßen und Prunkgebäude lassen immer wieder das Stadtzentrum a la Potsdamer Platz vermuten. Trotzdem brauchen wir noch über eineinhalb Stunden um im Zentrum der kleineren (!) Seite anzukommen.

Level 1: Ankommen. Level 2: Straße überqueren.

Level 1: Ankommen. Level 2: Straße überqueren.

Am Busbahnhof treffen wir Ugur, der uns bereitwillig erklärt, wie wir am günstigsten wo hin kommen und uns auch gleich noch zu sich nach Hause einläd. Dort könnten wir auch schlafen, wenn wir ihn nur um 22 Uhr zu seinem Feierabend wieder abholten. Die Zeit bis dahin verbringen wir damit Üşküdar zu erkunden. Rechtzeitig wollen wir aufbrechen, bis ich um 21:50 GMT+3h merke, dass ich meine Uhr seit der Zeitzonengrenze noch nicht umgestellt habe. Felix hat eh noch nie eine besessen. Im Sauseschritt mit den „fat ladies“ (wie wir die Rucksäcke liebevoll getauft haben) auf dem Rücken kommen wir schweißgebadet zu spät in Harem an – Ugur ist schon weg.

Jetzt muss schnell Plan B her. Der sieht vor, in ein Hostel einzuchecken. Die gibt es allerdings fast ausschließlich auf europäischer Seite. Als wir das letzte Boot rüber nehmen wollen, ist dieses bereits voll. Und zwar nicht voll im Sinne von „die von Statistikern berechnete maximale Belastung ist erreicht“ sondern voll im Sinne von „nicht mal Lobosch hält es für eine gute Idee, da noch draufzuklettern“, die Leute hängen an der Reeling.

Europa

Europa

Das gleiche Problem haben zwei türkische Mädels auch und wir trauen ihnen eher als uns zu, heute noch einen Weg nach Europa zu finden. Ohne Nachfragen setzen wir uns ins Taxi, rasen nach Üşküdar zurück und steigen dort in einen kleinen Kahn um.

Mit Europa unter den Füßen glauben wir wieder an eine accomodation und tatsächlich: Mit Hilfe eines offenen W-LANs und vieler netter Menschen, die für uns den Weg zeigen, uns begleiten oder für uns telefonieren finden wir zum EastWestHostel in einer Nebenstraße der Istiklal, der Partymeile İstanbuls.

Das Frühstück am nächsten Morgen bringt Ernüchterung und Erleichterung zugleich: Fast jeder hier im Hostel spricht deutsch. Wir haben uns mit Robin und Maria verabredet, zwei Studienkolleg_innen (pra!), die an ein Europaprojekt in 4 Städten noch ein bisschen Istanbul-Urlaub gehängt haben. Als wir uns über den großen Basar und durch schiere Menschenmassen drängeln, halten wir es für ein schwieriges Unterfangen in dieser Stadt überhaupt irgendwann irgendwen zu treffen.

Türkischer Basar

Türkischer Basar

Die ganzen Eindrücke überfordern mich und ich glaube, man muss İstanbul selber gesehen, gespürt, gerochen und gefühlt haben, um zu wissen, was ich meine. Jedenfalls kann ich es an dieser Stelle nicht adäquat in Worte fassen.

vor der blauen Moschee

vor der blauen Moschee

Wir treffen Maria und Robin in der blauen Moschee, die mich aber nach meiner Erfahrung in Sarajevonicht mehr so flasht. Im Anschluß erstehen wir gemeinsam Postkarten und lange, zermürbende und blutig geführte Verhandlungen darum, wer welche Karte an wen schicken darf, beginnen. Wenn also jemand von uns eine Karte mit 2 oder mehr unterschiedlichen Handschriften, oder leicht eingerissenen Seiten bekommt, weiß er Bescheid, woher es kommt.

Wenn drei sich streiten...

Wenn drei sich streiten…

Am Abend können wir uns für keine der vielen Bars entscheiden (manche von uns haben ein Problem mit den Leuten hier, anderen ist da die Musik zu schlecht) und verbringen die meiste Zeit flanierend auf der Straße. Dabei lernen wir den Straßenhändler Dschingis kennen, der in Deutschland studiert hat und jetzt in İstanbul mal Gedichte, mal Luftballons und mal (wie heute Abend) Muscheln verkauft (für politisch unkorrekte Stimmungsmusik hier klicken.). Dschingis bietet uns an, uns eine Unterkunft für die Hälfte vom Hostelpreis klarzumachen. Als wir uns interessiert zeigen, führt er uns in ein indisches Kulturzentrum, welches von seinem Kumpel Dean geleitet wird. Dean versucht eine türkische Hare Krishna-Gemeinde aufzubauen, er ist Inder und kommt aus London. Wir verabreden die Schlüsselübergabe für den nächsten Tag und schlafen nochmal im Hostel.

Staatsmacht und Gastfreundschaft

Wir brauchen 4 Stunden durch den Stau der Stadt. Um kurz nach 3 Uhr bitten wir Levan uns rauszulasssen, wir haben das Gefühl, hier einen exklusiven Campingplatz zu finden. Es vergeht eine Stunde in der wir von der Autobahn herunterlaufen, mit waghalsigen Kletter- und Sprungaktionen das Ufer erreichen, nur um es für felsig und ungeeignet zu befinden, wieder zurückzugehen, über die Autobahn und eine Schnellstraße klettern, einen Hügel hinaufstapfen, bis wir ein Schild mit einem dreieckigen Campingplatzsymbol erreichen (es köntte jedenfalls Campingplatz bedeuten).

Als wir zum Torbogen, der den Eingang des eingezäunten Geländes markiert, kommen, können wir darauf „JANDARMA“ lesen. Ich behaupte, dass das Polizei heißen muss, werde aber eines Besseren belehrt, als der Typ am Eingang uns auf Türkisch anbrüllt und seine M16 auf uns richtet. Leider wissen wir nicht, ob er „Kommt mit erhobenen Händen näher!“ oder „Ich zähle bis 3, dann schieße ich. 1,2…“ oder „Lang lebe Erdogan!“ brüllt. Der Köter, der kläffend zwischen und steht, macht die Kommunikation über 150m nicht gerade einfacher. Wir trauen uns keinen Schritt näher heran und so warten wir, bis der Wachmann seinen General aus der Kaserne geholt hat. Der winkt uns rein, guckt, ob in Felix‘ Gitarrentasche nicht eine Waffe drin sein könnte, kassiert unsere Pässe und läd uns im Aufenthaltsraum ab.

Nach und nach kommt die halbe Belegschaft rein, Soldaten in unserem Alter, die meisten in Jogginganzügen, weil natürlich längst Nachtruhe war. Alle sprechen nur türkisch und unsere Konversationen mit jedem einzelnen gehen ungefähr gleich: wir zeigen auf uns und sagen „Almanya, Berlin“. Sie sagen „Ahh, Almanya. Futbol? Bayern Münih?“ Wir sagen “ Jaja, futbol. Galatasaray, Fenerbahce, Beşiktaş.“ und natürlich „Mesut Özil“. Dann freuen wir uns alle und lachen uns an. Danke, Mesut, den Integrations-Bambi hast Du Dir echt verdient. Dann lässt der General jemanden wecken, der Englisch spricht. Ferhad kommt völlig verpennt aus seiner Koje und muss während seines 5-monatigen Wehrdienstes für irgendwelche Spinner den Übersetzer spielen. Der General kommt alle Nase lang rein und stellt ein paar Fragen, vor allem will er wissen, wie wir in dieser gottverlassenen Gegend gelandet sind und wo wir denn jetzt gedenkten hinzugehen. Wir erklären mehrmals, dass wir uns eigentlich nur auf’s Ohr hauen wollen und ein Plätzchen für unsere Zelte suchen. Es vergeht eine Stunde im Warteraum, ein Kollege hat mittlerweile die Aufzeichnung von Barça vs. Granda auf dem Plasma-Fernseher aufgelegt und uns wurden Wasser und Obst angereicht. Ferhad erklärt uns jetzt den Weg zur nächsten Wiese: Die Autobahn Richtung Istanbul 5km runter und da dann am Ufer. „Any questions?“ Nö. Da jetzt noch hinzulaufen haben wir aber 0 Bock.

Thank you, Ferhad!

Thank you, Ferhad!

Wir gehen raus und Ferhad lacht und betont, dass man auf die türkische Gastfreundschaft noch etwas geben könne, sie fahren uns hin. Und so cruisen wir im Feldjägerbus mit 5 Mann Eskorte dahin. Der Wachmann der Kaserne entschuldigt sich noch, als wir vorbeikommen, er hatte wohl genauso viel Schiss wie wir vorhin.

Wir werden an einer Wiese direkt am Meer abgeladen und grillen im Morgengrauen noch unser bulgarisches Fleisch.

Türkiye

Als wir aufstehen, wissen wir nicht, wie spät es ist. Alle elektronischen Geräte, die es uns verraten könnten sind out of battery. Wir packen langsam zusammen, gehen kurz im Fluss schwimmen und laufen in die Stadt.

BeachboyZ

BeachboyZ

Der erste Mensch, dem wir begegnen, behauptet, es wäre 17 Uhr. Das wollen wir erst nicht glauben, als die Uhren der anderen Passanten aber das selbe behaupten, müssen wir einsehen, dass wir todesspät dran sind, wenn wir heute noch die 300km nach Istanbul schaffen wollen.

Goin' to İstanbul

Goin‘ to İstanbul

Wir latschen bis zur Autobahnauffahrt, die ein ziemlich bescheidener Spot ist, da wenig Autos vorbeikommen. Gerade packen wir wieder zusammen und wollen und auf die Autobahn drauf wagen, da hält der nächste an. Anscheinend will uns da oben irgendjemand ärgern, zum wiederholten Male hält genau dann erst jemand, wenn man fast aufgegeben hat. Und was für ein jemand: Ein schwarzer Porsche Cayenne S. Drinnen sitzt Levan, ein Georgier, der in der Nähe von Potsdam lebt, gerade in Köln für einen Kumpel aus Russland das Auto gekauft hat und auf dem Weg zu seinen Eltern nach Tiflis ist. Er spricht perfekt deutsch und bietet uns an, uns bis nach Georgien mitzunehmen. Wenn das mal kein 3fach Jackpot ist. Hinzu kommt, dass Levan als Jugendlicher im Krieg (’92/’93 gegen Russland) gekämpft hat und viel Interessantes, wenn auch Grausames aus der Zeit erzählen kann.

Dann kommt die bulgarisch-türkische und damit die EU-NichtEU oder auch Zivilisation-NichtZivilisation-Grenze (in Wirklichtkeit ist es umgekehrt: Auf türkischer Seite supermoderne Shoppingmalls, in Bulgarien verfallene und verlassene Häuser). Levan hat keinen deutschen Pass, nur einen georgischen und wird dementsprechend schikaniert. 3 Mal müssen wir unsere Ausweise zeigen, ewig warten, bis die kontrolliert sind und dannwird noch 2 Mal das Auto durchgecheckt. Die EU hat wohl Angst, dass man ihre teuren Autos klaut. Ihr Waffe dagegen ist Frontex-Frank. Frontex-Frank ist ein deutscher Polizeibeamter, der sich freiwillig für 7 Monate an die Grenze begeben hat, mit der einzigen Aufgabe, jedes teuer aussehende Auto (die mit Menschen aus dem NichtEU-Ausland hinter dem Steuer natürlich erst recht) 17 mal zu kontrollieren, damit auchgar kein reicher Europäer eins weniger hat. Und so muss alles her: Fahrzeugpapiere, Kaufvertrag, Nummer vom Händler in Deutschland, Nummer vom Nummernschild, Fertigungsnummer, Infos über Kaufpreis, Kaufort, Ziel, für wen das Auto ist, Ladung, Gepäck, Passagiere usw. usf. Selbst dann dauert es noch fast eine Stunde, bis Frontex-Frank mit seinen bulgarischen Kollegen wieder aus der Baracke kommt, in die er verschwunden ist. Frontex-Frank ist aber eigentlich ein ganz Lieber, anders als das Logo des europäischen Grenzschutzes auf seinem Ärmel vermuten lässt (das sind doch die, die öfter mal Boote mit afrikanischen Flüchtlingen versenken). Frontex-Frank hat wenigstens die Bundesliga-Ergebnisse parat. Was Dortmund unterliegt HSV? Dafür dann bitte Torregen gegen Real und ManCity.

Endlich können wir einreisen, sogar ohne bestechen zu müssen. Levan erzählt, wie er mit seinem Pass an der einen oder anderen Grenze nur mit Hilfe eines kleinen Bakshish rüberkommt. Nach Serbien durfte er gar nicht einreisen und musste einen Umweg über Rumänien fahren. Bei dem Thema muss ich an meine Semester-Hausarbeit über Staaten, Weltstaat, Grenzen denken. Status: 0 Seiten.

In der Türkei sind wir mit Levan schon so dicke, dass er uns russische Schimpfwörter beibringt. Auf der Autobahn fahren wir die ganze Zeit höchstens 100 um Sprit zu sparen. Levans Autokumpel wird’s freuen, er zahlt immerhin schon Levans Rückflug. Aber als wir Istanbul erreichen müssen wir’s doch mal wissen. Fesnter auf, PowerSound mit türkischem Elektro (ziemlich geile Mukke eigentlich – Radio Adrenalin als absolute Empfehlung, wenn ihr da seid!) und dann raufgestiegen auf’s 350 PS-Gaspedal. Der Spaß ist leider von kurzer Dauer, in der Megastadt herrscht auch um 23 Uhr noch Verkehrsinfarkt.

Geschäftsmann mıt Leib und Seele: Wasserverkäufer AUF der Autobahn

Geschäftsmann mıt Leib und Seele: Wasserverkäufer AUF der Autobahn

[3 Stunden lege ich mein Tagebuch in den Fußraum, dann schreibe ich weiter]

Jeder Scheißlaster, der in die Türkei fährt muss durch Istanbul und damit über diese Scheißautobahn! Die haben einen Arsch voll Einnahmen und 14 Millionen Einwohner hier. Wieso zur Hölle kann man keine Autobahn bauen, die dem wenigstens annähernd gewachsen ist? Ich hasse Istanbul, bevor ich ein einziges Mal in der Stadt war. Wie die Bekloppten. Hier werden 4 Fahrspuren gewechselt, ohne 1 Meter vorwärts zu fahren!

2 Tage wach

Wir verlieren morgens über 2 Stunden, weil wir beim Trampen auf den Tipp von Nesha vertrauen, bis wir nass bis auf die Knochen sind und genervt erst um 12 Uhr vom hitchwiki-Spot loskommen. Dabei waren wir extra früh aufgestanden.

vergeblich

vergeblich

Es geht schleppend voran und als es dunkel ist, hängen wir in einer Tankstelle am Ende von Serbien fest. Es ist immerhin eine deluxe-Tankstelle, wir können uns dort auf Getränke einladen lassen und den packenden Euro-League-Krimi zwischen Partizan Belgrad und Baku verfolgen (0:0 ohne Verlängerung oder Elfmeterschießen). Ich habe mich längst mit dem Gedanken angefreundet, auf dem Tanke-Sofa zu schlafen, aber Felix gibt sich unermüdlich und rekrutiert im strömenden Regen tatsächlich noch einne Lift nach Sofia. Dort kommen wir um 0:30 uhr an und wollen einfach nur noch schnell einen Platz zum Schlafen.

Sofia auf die Schnelle (links das Taxi)

Sofia auf die Schnelle (links das Taxi)

Ein Taxifahrer bietet uns an, uns kostenlos zu einem Hostel zu fahren. Wir willigen ein und landen in einer Ecke ohne Hostel und ohne Straßenlaternen, dafür mit besonders vielen Straßenhunden. Dem Taxifahranfänger tut es leid, er fährt uns zurück auf die Hauptstraße. 1:30 Uhr. Option 1: Die relativ massiv wirkende Tür des Hostels eintreten, dessen Rezeption um diese Zeit natürlich nicht mehr besetzt ist. Option 2: BestWestern Sofia à 100 Mark (die gibt es hier auch noch, heißen nur Leva) pro Nacht und Nase. Wir wählen Option 3 und schlafen gar nicht. 10 Minuten nickern im U-Bahnhof und ansonsten Warmhalten sind angesagt. Dank Zeitverschiebung müssen wir 1 Stunde weniger überbrücken, mit der ersten U-Bahn geht es raus aus der Stadt, vorher noch schnell im Metro zu unverschämt deutschen Preisen einshoppen. Am Ende des Tages haben wir wieder viele Autos gehabt. Nachdem wir uns 27 Mal von den Kindern einer Familie, bei der wir im Wohnmobil mitfahren, im Uno abziehen lassen kommt unser größter Fang am Ende. Costa  sammelt uns an der alten Fernstraße Richtung Türkei auf, nachdem wir in der Stadt davor den Weg zur Autobahn links liegen lassen haben, da diese in unserem Atlas von anno 2002, der uns geschenkt wurde, noch nicht verzeichnet ist. Costa ist Bulgare und gerade dabei 2 750-Liter-Fässer für seinen schwarz hergestellten Wein nach Hause zu fahren. Als Costa klein war, hat er mit seinen Kumpels deutsche Pornos übersetzt (die goldene Ära mit Dolly Buster uvm) und dadurch wurde Deutsch sein Lieblingsfach in der Schule. Wir können uns also super unterhalten und ich lernen viel über das ganz alte Bulgarien und die Thrakier.

thrakischer Traktor

thrakischer Traktor

Unterwegs laden wir 750kg Getreidesamen zu und kommen dann bald in Costas Heimatstadt an. Die ist 1km von Griechenland und 10km von der Türkei entfernt und ganz beschaulich, weshalb wir uns entscheiden, über Nacht hier zu bleiben. Costa fährt uns noch kurz einmal rum, zeigt uns die vielen Casinos (wo die Zocker unter den Türken hinkommen, dort sind die nämlich verboten), das Stadtfest und auf Wunsch das Roma-Viertel. Dieses hat sogar eine Kirche und ist besser in Schuss, als ich es mir vorgestellt hätte.

zu Sowjetzeiten falsch geparkt...

zu Sowjetzeiten falsch geparkt…

Wir suchen uns einen versteckten Campingplatz im halb ausgetrockneten Flussbett des Mariza, welcher später die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei markiert.

Mariza mıt Brücke von fünfzehnhundertschiessmichtot

Mariza mıt Brücke von fünfzehnhundertschiessmichtot

Heute hier, morgen dort

Es muss ein guter Tag werden, wenn wir es heute noch bis nach Belgrad schaffen wollen. Das Wetter spielt schonmal mit und so frühstücken wir gemütlich im Schatten der Robinson.

Im Schatten der Robinson

Im Schatten der Robinson

Wir haben 3 kürzere Fahrten, müssen uns mit der Tochter einer Fahrerin bei Facebook befreunden und werden mit Eurodancemusik bis an den Stadtrand gefahren, obwohl der Typ eigentlich nur halb so weit musste. Hier in Bosnien läuft es mit dem Trampen. Als wir ein hitch bis zur Grenze bekommen möchten, kommt es noch besser: Es stellt sich heraus, dass Boris (oder so ähnlich, wissen wir leider nicht mehr genau) einen Kumpel vom Flughafen in Belgrad abholen, er nimmt uns die ganze Strecke mit. Boris ist gerade von 5 Jahren Afghanistan zurück und kann einiges vom Feldlager Kandahar (da leben 50.000 Menschen!) erzählen, wo er als Zivilist Sicherheitstüren gebaut hat. Fast jeder seiner Sätze auf der Fahrt beginnt mit: „Listen!“ und endet mit „and now, everything is fucked up.“ Für die letzten 20km vom Flughafen in die Innenstadt finden wir auch schnell jemanden, von dem wir unterwegs freundlicherweise noch ein paar Infos zu Sehenwürdigkeiten, Nightlife und Drogen in Belgrad bekommen. Wir werden direkt am günstigsten Hostel der Innenstadt abgesetzt. Wir sind anscheinend die einzigen Gäste und nachts tackern die Mitarbeiter im Nebenzimmer. Wir sind dank 5cm-Gipswand live dabei, bis im wahrsten Sinne des Wortes die Bettpfosten in die Knie gehen und eine Latte aus dem Bett bricht. Jetzt Ruhe? Nein, weiter geht’s kurz darauf. Das Telefon klingelt. Kurz rangegangen und weiter im Text. Am nächsten Morgen gibt’s Riesenhamburger zum Frühstück und wir machen bei einer dieser Free-Walking-Tours mit, die es mittlerweile in jeder osteuropäischen Großstadt gibt. Wieder versenden wir vergeblich Couchsurfing-Requests, das klappt irgendwie noch gar nicht. Trotz des guten Wetters holen wir uns beide Husten und Schnupfen weg und ich merke, wie sehr die Reiselaune mit meiner Verfassung steigt und fällt.

Belgrad vom Festungshuegel aus

Belgrad vom Festungshuegel aus

Innenstadtgasse
Innenstadtgasse

Am frühen Abend holt uns das Weltuntergangswetter wieder ein. Irgendwie ist das ein Deja-vu: Unsere Rucksäcke im Hostel, draussen Regen und nichts zum Pennen. In der Couchsurfing-Belgrad-Gruppe erfahren wir von einem Gathering. Wir gehen in die Kneipe und lernen ein paar Menschen kennen. Zwar haben wir spannende Diskussionen, zum Übernachten läd uns aber niemand ein. Es sind so um die 50 Leute da, eigentlich muss doch was gehen. Als die Kafana (eine serbische Mischung aus Cafe, Bar und Restaurant) schliesst, ziehen wir mit dem harten Kern weiter in den Park und dann einen anderen Club.

Schon wieder im Regen

Schon wieder im Regen

Ein leicht angetrunkener Nesha hat dann doch noch einen Fußboden, den er uns feilbietet. Das Zimmer sei jedoch eigentlich zu klein für 3 Leute, was ich als Bescheidenheitsbla abstempel. Das Zimmer ist wirklich zu klein für 3 normalgroße Menschen im Liegen. Felix und ich dürfen auf dem Sofa schlafen, der Hausherrhat daneben noch ungefähr 50 cm Platz für sich auf dem Boden. Wir sind glücklich über dieses Arrangement, welches uns eine vernünftige Mütze Schlaf beschert, den wir später gut gebrauchen können.

Galerie: Just give it a try…

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Wenn Sprache nicht verstanden wird, kann sie entweder zum Problem werden, oder zu lustigen Situationen führen. Hier werde ich Bilder von Situationen sammeln, in denen ich dastand und erstmal nicht weiterwusste.

On the road again

Nachdem wir vergeblich versuchen, unsere beiden Mitbewohner zu wecken (selbst aus 10cm Entfernung ist nichts zu machen, wer weiß, was die wieder intus haben), um uns kurz von ihnen zu verabschieden, treffen wir uns mit Ahmed in der Altstadt.

Aussicht 1: Unser Balkon

Aussicht 1: Unser Balkon

Wir gehen nochmal eine kleine Runde und bedanken uns ausgiebig bei ihm. Ohne Ahmed hätten wir Sarajevo niemals so kennengelernt, so viele Leute getroffen und solch eine Unterkunft gefunden. Er würde sich im Gegenzug über viele unserer Freunde freuen, denen er die Stadt zeigen kann. Kommt also nach Sarajevo und meldet Euch bei Ahmed (http://www.facebook.com/ahmed.bradaric?ref=ts ; 0038761931989) – es lohnt sich allemal!

Aussicht 2: Von einem Hügel

Aussicht 2: Von einem Hügel

Noch ein bosnischer Kaffee

Noch ein bosnischer Kaffee

Wir fahren für 2 Mark (ja, die gibt’s hier noch) mit dem Bus in die Vorstadt, um von dort aus gen Norden zu trampen. Am Spot lernen wir Sandy kennen: Einen 50-jährigen Bosnier, der sich als Journalist, Übersetzer, Sprachlehrer, Autor, Verleger und Lebenskünstler versteht (fast hätte ich „ausgibt“ geschrieben, aber er hat uns 2 seiner Bücher gezeigt, ist also irgendwas dran.). Er will ich seit 30 Jahren nur hitchhikend fortbewegt haben. Am Anfang freuen wir uns, jemanden gefunden zu haben, der so gutes Englisch spricht. Nach kurzer Zeit geht uns Sandy jedoch gehörig auf die Nerven, da er überhaupt nie aufhört zureden. Dabei sind seine Hauptthemen seine Verflossenen und Heidi Klums Blowjob-Qualitäten. Das geht so weit, dass wir uns nach einer guten halben Stunde entschließen weiterzuwandern, um eine neue Stelle ohne Sandy zu finden. Wir sind kaum 5 Minuten gewandert, da überholt er uns hupend. „Na toll!“ denken wir, doch ein kleines Stück weiter bleibt der VW Golf 2 (ungefähr 70% der Autos hier sind diesen Modells) stehen und wir können auch noch mitfahren. Sandy sitzt vorne und managed das Gespräch, wir können entspannen und müssen nur ab und zu ein paar Preisfragen (Sorry, dass ich nicht weiß, wer „Тихий Дон“ geschrieben hat. Nein, mit dem Tipp, dass er der einzige praktizierende Arzt in der sowjetischen Literatur war, kann ich nichts anfangen.) beantworten und bekommen dann noch bosnischen Käsekuchen geschenkt. Kurz vor Tuzla biegen der Fahrer und Sandy ab und wir steigen aus. Mit einem Bus und einem weiteren Auto kommen wir zu einem großen Stausee und bauen unser Camp am Strand auf. Direkt neben uns führt eine Gondel über den See und macht nachts gruselige Geräusche.

gefährliche Gondel mit grauseligen Geräuschen

gefährliche Gondel mit grauseligen Geräuschen

Außerdem haben wir hier schon den einen oder anderen streunenden Hund gesehen. Heute Nacht ist wohl viel wachliegen angesagt.

Spoiler: Wir haben's überlebt!

Spoiler: Wir haben’s überlebt!

 

Sarajevo

Wir kommen um 7:00 Uhr mit dem Zug an. Wir wollen uns bei Ahmed entschuldigen, der schon fast eine Stunde auf uns am Bahnhof warten müsste. Der weiß aber, wie der Hase läuft und hat die Verspätung einkalkuliert. Überhaupt ist es ein krasser Typ, der da in seiner La-Martina-Porsche-Edition-Jacke auf uns wartet: Ahmed ist Imam und Halbprofiboxer, Kriegswaise und Stadtführer, Wirtschaftsstudent und Antiquitätenhändler. So eine Lebensrealität muss mir im behüteten Deutschland erstmal jemand mit 21 Jahren vorweisen.

Zuerst stellen wir unsere Rucksäcke in der Unterkunft ab, die Ahmed uns klargemacht hat. Die Butze knallt. Eine StudentenWG von 2 Schulkumpels, die ein Zimmer von 2 vermieten. Einer kommt aus dem Bett gekrochen um uns aufzumachen. Der andere winkt kurz aus dem Bett „Hey guys“ und wird uns als Vertreter des Landes beim heute Abend stattfindenden Biertrinkcontest D vs. BiH vorgestellt. Rosa Wände und ein Ausziehsofa, an der Wand ein Poster, auf dem Džeko Ronaldo verarscht, was will man mehr?

Unser Reich

Unser Reich

Wir ratzen 3 Stunden, da Ahmed ein großes Programm mit uns vorhat. Wir besichtigen 2 Stunden lang die Altstadt, die hauptsächlich aus vielen kleinen Geschäften, die seit dem Osmanischen Reich da stehen, besteht. Ein befremdlich-schöner Anblick. Dann beschließen wir, beim großen Freitagsgebet mitzumachen (das ist nämlich das einzige in der Woche, welches man im Islam nicht nachholen kann und da ich in meinem Leben schon um die 1100 verpasst habe…). Die zentrale Moschee ist beeindruckend und ich bekomme ein mulmiges Gefühl. Ahmed verspricht, dass wir nicht auffallen, wenn wir ihm alles genau nachmachen. Los geht’s mit dem Reinigungsritual, welches auf den ersten Blick recht überflüssig erscheint: 3 mal die rechte, 3 mal die linke Hand… usw usf. Später freue ich mich zu wissen, dass die Füße, zwischen die ich meinen Kopf während des Gebets drücke wenigstens alibifrisch gewaschen sind.

Waschen

Waschen

Dann beginnt drinnen das große Knien: Feels like Pferderennen hoch 27 (für Outsider: Ein Energizer, bei dem man kniend ein Pferd nachahmt. Kennste nich? Musste probieren!) Nach ca. 15 Minuten traue ich mich, die Position meiner Beine zu verändern. Die sind inzwischen eingeschlafen und nicht mehr durchblutet. Der Imam singsäuselt abwechselnd auf bosnisch und auf arabisch, ich falle in eine Minitrance. Dann beginnt erst das eigentliche Beten. Die 6 Positionen hat manh relativ schnell drauf und dann geht es hoch, runter, hoch, runter… Mit den 500 Männern (Frauen müssen draußen bleiben) vor, hinter, über, unter, rechts und links von sich fühlt man sich ein wenig wie Teil von etwas Größerem.

nur noch Bonusbeten: Als es voll war habe ich mich nicht getraut zu fotografieren

nur noch Bonusbeten: Als es voll war, habe ich mich nicht getraut zu fotografieren

Mit dem Spirit ziehen wir weiter in ein muslimisches Café, wo es starken Kaffee und orientalischen Flair gibt. Ahmed kennt übrigens jeden hier in der Stadt, durch die ganzen Salam Alaikums, Wangenküsschen und geschüttelten Hände kommen wir zwar langsamer voran, sehen dafür aber auch viele Gesichter. A propos: Viele Gesichter hat auch die Stadt Sarajevo: Katholische, orthodoxe, muslimische, kroatische, serbische, bosnische. Da ist der Überblick schnell verloren und auch im Balkankriegmuseum kann ich mir nur Bruchstücke zu etwas größeren Bruchstücken zusammensetzen, aber das große Ganze, das Geflecht von gegenseitigem Einfluss der Völker, Länder, Armeen und Verbündeten zu durchsteigen ist mir eine Nummer zu groß. Darüber hat man halt auch gar nichts in der Schule gelernt, obwohl der Shit topaktuell ist (immerhin weiß ich später noch wer Franz Ferdinand ist, als wir die Brücke besichtigen, auf der damals der Erste Weltkrieg begann). Das Geschichtsbuch „1. WK bis heute“ in der nächsten Buchhandlung hat nicht umsonst mehrere tausend Seiten.

Im Café

Im Café

Viele Kriegsgräber und viele Minarette

Viele Kriegsgräber und viele Minarette

Im mexikanischen Club wird uns abends der Drogenbaron von Sarajevo vorgestellt. Hallo, ja ist mir auch eine Ehre. Als der Morgen graut, ist es genau der, der seinen Kopf in unser Zimmer steckt und breit grinsend fragt, ob wir noch Einen mitrauchen wollen. Wir schlafen seit Stunden.

Out of Zagreb

Als wir aufwachen ist das Wasser überall. Natürlich hat das Dach nicht gehalten. Mit meiner Isomatte schwimme ich in einer Zementpfütze. Ich bekomme schlechte Laune, als ich sehe, dass es immer noch wie aus Kübeln gießt. Alles, was über Nacht nicht doppelt verpackt war, ist dank der Luftfeuchtigkeit auch durch. (VIDEO: http://youtu.be/DWLRX0gOaQY)

Wir stopfen erstmal alles in die Rucksäcke, in der Hoffnung die Sachen irgendwann irgendwo im Trockenen aufhängen zu können. Wir wollen nur noch raus aus dieser Stadt, die uns außer Regen nichts mehr zu bieten hat. Wir holen uns ein paar Infos ein und entscheiden uns für den Nachtzug nach Sarajevo, wo ich über Olli 1,2 Kontakte bekommen habe. Den Tag verbringen wir in der mall, wo ein halbherziger Versuch, sich von hinten ins Kino zu schmuggeln, am aufmerksamen Kassenpersonal scheitert (anscheinend verdienen die hier nicht so mies wie bei uns). Am PC in der Hotellobby nebenan geht mit Windows 2000 und InternetExplorer 6 auch nicht so die Party ab. Felix liest mir ein paar Kurzgeschichten vor, was meine Verfassung nur unwesentlich aufheitert. Das ist also mein erster Reise-Down. Ich fühle mich kränklich (auf Grund der vorangegangenen Nacht wohl auch kein Wunder) und würde am liebsten nur jammern. Aber da ist dieser Louis in meinem Kopf und spricht mahnend: „Komm schon Lobosch, jetzt mal ein bisschen behaviour zeigen!“ So verstreichen irgendwie der Nachmittag und der frühe Abend. Irgendwann kaufen wir uns ein  Kartenspiel und spielen ein Spiel, was ein Kumpel von Felix von irgendwelchen Pazifikinseln mitgebracht hat. Wir taufen es Tomas zu Ehren liebevoll pikkenoleka (zu deutsch „Arschbrand“, leider weiss ich die richtige Schreibweise nicht.). Den löchrigen Regelteppich flicken wir mit ein paar Improvisationen. Vor Abfahrt des Zuges setzen wir uns vor die Post und hauen unser restliches Essen in die Campingkocherpfanne. Wir steigen in den Zug und von Zagreb bleiben uns vor allem Enttäuschungen und Grapefruitsaft (Insider-Alarm!) im Kopf. Wir versuchen das Ganze in einem Lied lyrisch zu verarbeiten. Aus dem Nachbarabteil klopft es empört an die Wand, noch bevor wir zum zweiten Teil, dem Lobgesang auf Sarajevo, kommen.